Oder wie eine Community langsame Schritte Richtung Social Network unternimmt und die User hinterherhinken.
eins.de ist ein lokales Stadtportal mit Informationen, Entertainment und Events in mittlerweile ziemlich vielen Städten in Deutschland. Ein großer Bestandteil des Portals ist die Community, die es seit über 3 Jahren gibt. Die wichtigsten Community-Features sind User-Profile, Buddy-Listen, privaten Nachrichten, Foren, Party-Foto-Kommentare, News-Artikel-Kommentare und User-Events (mit kompletter Event-Verwaltung). Alles klassische Community-Features, aber eben keine Features, wie man sie von den aktuell erfolgreichen Social Networks kennt.
Die Portale sind in manchen Städten sehr stark präsent. Paradebeispiel ist wiesbaden.eins.de, denn in Wiesbaden wurde eins.de 1999 gegründet wurde. In Wiesbaden werden regelmäßige eins-Events (AfterWorkLounges etc.) veranstaltet und die Fotos von diesen Partys auf der Website veröffentlicht. Wer dort regelmäßig fotografiert wird und in der Community aktiv ist, wird daher auch gerne mal erkannt und angesprochen – davon kann ich ein Lied singen. 😉
Hauptgrund sich auf wiesbaden.eins.de zu registrieren sind die Partyfotos, die man in nicht-eingeloggtem Zustand nicht sehen kann. Über diese Feature kommen die meisten User zur Community. (Nachtrag: Habe gerade noch eine ganz interessante Pressemitteilung von eins.de entdeckt.)
In letzter Zeit bringt eins.de immer wieder neue Features, die in Richtung Social Network gehen und ruft dabei seltsame Reaktionen bei den Usern hervor – was mich auch häufig verwundert.
Offene Buddylisten
Ein typisches Element in der Web2.0-Welt sind die offen sichtbaren Buddylisten und die daraus resultierenden Verbindungen der User untereinander. Vor ein paar Monaten hat eins.de nun auch eine Anzeige im Profil eingeführt, die 5 zufällig User der Buddyliste zeigt.
Mir selbst ging das noch nicht weit genug, ich hätte lieber die komplette Buddyliste gezeigt, aber ich darf auch nicht immer von mir ausgehen. 😉 Die Community reagierte jedenfalls mit Empörung. Ok, die Einführung war nicht wirklich gelungen, denn es wurde nicht angekündigt und es wurden zu Beginn auch User angezeigt, bei denen man auf der Buddyliste steht, aber die nicht auf der eignen Liste stehen. Aber es wurde noch eine Erläuterung nachgeschoben und man kann nun wählen, ob nur die eigenen Buddies oder alle die Liste sehen können. Komplett abschalten kann man die Anzeige dennoch nicht. Es gibt also ein paar konzeptionelle Fehlerchen. Aber eine unter der Usern weit verbreitete Meinung ist, dass es doch niemanden was angeht, wer die eigenen Buddies sind. Selbst die Anzeige der Zahl, auf wie vielen Buddylisten man sich befindet, wird kritisiert.
Vielleicht spielt hier der lokale Faktor mit rein, denn Wiesbaden ist klein, man kennt sich und sieht sich regelmäßig. Nach Einführung dieses Features setzte jedenfalls erstmal ein panisches Buddylisten-Aufräumen ein. Keine Ahnung, wer sich da nicht vorzeigbares drauf befand, aber es müssen wohl Kontakte gewesen sein, die die Freundin / der Freund nicht sehen durfte. Oder Bekannte, die wiederum andere Bekannte nicht leiden können etcpp und weitere private Nachbarschaftskriegsgeschädigte.
Natürlich war es auch nicht in Ordnung, eine bisher private Sache, ohne Vorankündigung öffentlich zu machen, die konzeptionellen Fehler hatte ich ja schon erwähnt, aber selbst jetzt, nach Wochen, höre ich noch Stimmen, die der Meinung sind, dass eine Buddyliste eher privater Natur und nichts öffentliches ist.
Blogs
Seit letzter Woche gibt es nun auch Blogs für die User. Verankert im Profil, kann jeder User Blogbeiträge schreiben, die von anderen kommentiert werden können. Die klassischen Features wie Trackbacks etc. fehlen, sind aber in anderen Social Networks wie MySpace auch nicht vorhanden. Immerhin kann man Blogs und auch Blogbeiträge abonnieren. Die Reaktion der User war zweigeteilt und reichte von Begeisterung über Unverständnis (was ist ein Blog) bis zur totalen Ablehnung. Hauptsächliche Kritik: „Es gibt doch schon das Forum, wozu brauche ich nun noch einen Blog? Die Seite ist eh schon zu voll, da blickt doch keiner mehr durch. Noch mehr sinnbefreites Gelabere.“ und so weiter. Ich habe versucht zu erklären, was an einem Blog anders ist, dass es eben persönlicher ist und dem Profil zugeordnet etc. aber das hat keinen interessiert. Die Themen in den Blogs sind denen im Forum auch sehr ähnlich, ein mehr persönliche Note findet sich da nicht. Vielleicht auch noch nicht, eventuell müssen sich die User erst noch dran gewöhnen.
Fehlender Blick übern Tellerrand oder hohe Loyalität?
Ich wundere mich manchmal darüber, dass viele der Leute, die tagtäglich viel Zeit in dieser Community verbringen, sonst nicht viel von der restlichen Internetwelt mitkriegen. Ein Flickr-Account für unsere Fotos anzulegen, war schon fast zu highlevel. Dabei hätte ich diese Menschen eigentlich als internetaffin eingestuft. Es besteht bei vielen einfach kein Interesse für weitere Aktivitäten im Netz. Letzt fragte jemand im Forum, was man denn von Secondlife halte und viele Kommentare lauteten „Du hast doch schon ein zweites Leben bei Wiesbadeneins, was willst du denn damit noch?“ Ok, Secondlife ist noch mal ne ganz andere Nummer, aber die Ablehnung, ohne zu wissen, um was es geht, ist schon sehr hoch. Das merke ich auch an anderen Web2.0-Diensten und Websites, die ich vorschlage … die Resonanz ist fast immer gleich null.
Allenfalls für andere Stadtportale interessiert man sich noch und das Angebot an Stadtportalen ist alles andere als gering, wobei sich hier in Wiesbaden alles auf Wiesbadeneins und Stadtleben.de konzentriert. Wurden jedoch erstmal Freunde in der Community gefunden, ist der Lock-In-Effekt wohl ziemlich hoch.
Der fehlende Web2.0-Schnack mit dem User
Was Wiesbadeneins noch um Lichtjahre von einem wirklichen Web2.0-Dienst entfernt ist die fehlende Kommunikation mit den Usern. Es gibt unglaublich viele Wünsche und Bugreports im Forum, aber eine Reaktion kommt so gut wie nie dort an. Behoben werden Bugs auch nur sehr sehr schleppend bis gar nicht. Es ist auch schon sehr bezeichnend, wenn der Admin Poweruser auf die Ignore-Liste setzt. Ich würde mir ein offizielles eins-Blog wünschen, aber mittlerweile habe ich es aufgegeben.
PS: Sorry für so viel Text und Hochachtung für alle, die hier unten angekommen sind. 🙂