Mit “Meine Spielzeugkiste” zu weniger Konsum

Wenn man sich viel mit E-Commerce beschäftigt, überkommt einen manchmal ein ungutes Gefühl …  in Bezug auf Verschwendung von Ressourcen und übertriebenden Konsum. Also, mich zumindest. Aber bevor ich zur Konsumverweigerin werde 😉 erfreue ich mich erst noch an tollen neuen Shopping-Konzepten, die genau diesem unguten Gefühl entgegen wirken, indem sie z.B. die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern als Grundlage nehmen. Collaborative Consumption nennt man diesen Ansatz. Mehr dazu kann man bei Lilligreen nachlesen (aus dem Blickwinkel Nachhaltigkeit) oder bei etailment (durch die E-Commerce-Brille).

Meine Spielzeugkiste ist so ein Konzept. Man kauft nicht das Spielzeug sondern mietet es auf Zeit. Irgendwann schickt man es wieder zurück und Meine Spielzeugkiste vermietet es an die nächste Familie. Das Ganze funktioniert auf Abo-Basis – man wählt die Größe der Kiste (je nach Anzahl der enthaltenen Spiele) und zahlt einen monatlichen Betrag (also auch Abo-Commerce). Ab 14 Euro ist man dabei. Man kann selbst auswählen, welche Spielzeuge in die Kisten reinkommen. Zur Auswahl steht pädagogisch wertvolles Spielzeug, jedoch keine Baukästen, Bastelsets oder hoch emotionales Spielzeug wie Teddys oder Puppen, da sich diese nicht zur Vermietung eignen. Die Kiste behält man so lange, bis man wieder neues Spielzeug haben möchte. Wenn den Kindern mal ein Spielzeug besonders gut gefällt, kann es auch vergünstigt gekauft und behalten werden.

Weniger ist mehr
Vor Weihnachten haben wir in der Agentur Spielzeug für benachteiligte Familien gesammelt. Wir waren wirklich überrascht, wie viel da zusammen kam. Daher halte ich es für einen interessanten Ansatz, dass man das Spielzeug nur eine Weile behält und es dann wieder zurück schickt. Auch die Kinder lernen dabei, dass man nicht alles selbst besitzen muss. Und gerade bei Einzelkindern, die die Sachen nicht an kleine Geschwister weiterreichen können, vermeidet man so doch einen ordentlichen Spielzeugberg.

Der besondere Service
Die meisten Collaborative Consumption-Dienste funktionieren als P2P-Plattform, sie sind also Marktplätze bei denen sich die Nutzer registrieren und ihre Sachen tauschen, anbieten oder kaufen. Das ist für den einzelnen Nutzer sehr aufwendig, weil er die Sachen fotografieren, einstellen, beobachten oder auch das passende finden muss. Und das nötige Vertrauen muss auch vorhanden sein. Meine Spielzeugkiste geht hier einen anderen Weg und bietet quasi einen Komplettservice an. Denn mehr als das Auswählen der Spiele oder das Versenden der Kiste muss der Nutzer nicht tun.

Die richtige Wahl
Da ich das Angebot selbst nicht getestet habe, verlinke ich mal auf einen sehr interessanten Bericht einer begeisterten Mutter. Hier wird berichtet, dass die kleine Tochter manches Spielzeug aus der Kiste sehr gerne mochte und anderes wiederum gar nicht. Dieses Abo-Modell führt also auch dazu, dass viel Spielzeug getestet und letztendlich nur das behalten wird, was auch tatsächlich gefällt. Die Spielzeugauswahl erfolgt aus fünf Themen: Kreativität, Logisches Denken, Motorik, Gemeinschaftssinn, Musik und Sprache und richtet sich nach dem Alter des Kindes. Es gibt auch ein Empfehlungstool, das aber letztendlich auch nur Zufallstreffer angezeigt.

Zum Geschäftsmodell
Meine Spielzeugkiste wäre kein modernes E-Commerce-Konzept, wenn es nicht noch Optionen gäbe, die man für zusätzliches Geld hinzubuchen kann. Für 5 Euro zusätzlich zum monatlichen Beitrag erhält man immer nagelneues Spielzeug. (Ich persönlich würde ja einen zusätzlichen Betrag für nachhaltiges und gesundheitlich völlig unbedenkliches Spielzeug zahlen.)
Und wie man hier nachlesen kann, setzt Meine Spielzeugkiste natürlich darauf, dass Kinder Spielzeug gerne behalten wollen, wenn sie es einmal gespielt haben. Wie oben bereits beschrieben, können Kunden daher Spielzeuge auch behalten und nachträglich für 30% unter Neupreis kaufen.
Zudem gibt es Spielzeuge, die Teil einer Produktreihe sind, bei denen Startersets um zusätzliche Teile oder neue Versionen erweitert werden können. Meine Spielzeugkiste vermietet nur Startersets und setzt auf Kooperationen mit den Herstellern.

Weniger Konsum?
Ob ein solches Konzept nun tatsächlich zu weniger Konsum führt, wie ich in der Überschrift zu behaupten wagte, weiß ich nicht. Ich vermute mal, dass trotz aller Kaufanreize die meisten Spielzeuge mehrfach vermietet und daher von mehreren Kindern bespielt werden. Sie dürften also ein erfüllteres Dasein haben als herkömmlich gekauftes Spielzeug, das irgendwann im Keller landet und in Vergessenheit gerät. Und die Spielzeuge, die dann doch behalten und gekauft werden, haben immerhin bereits eine Testphase bei den Kindern hinter sich und man weiß, ob sie ankommen und ob auch ausdauernd damit gespielt wird.

Schönes Storytelling im E-Commerce: Julep

Bei Julep kann man Nagellack bestellen. Oder als monatliche Box abonnieren. Das nennt man dann Abo-Commerce.

Nun bin ich zwar so gar nicht der Nagellack-Typ, aber eine Sache hat mir bei Julep doch sehr gut gefallen: Das mit den Mavens!

Mavens? Ich googelte Mavens und fand eine Wikipedia-Seite mit folgender Erläuterung:

Maven (…) bezeichnet einen, meist selbsternannten Experten eines einzelnen Wissensbereiches, der versucht, sein Wissen an andere weiterzugeben.

Nagellack-Experte! Man muss also bei Julep erstmal Nagellack-Experte werden, um die monatliche Box bestellen zu können. Das mag zwar aus verkäuferischen Aspekten wie eine Hürde klingen, in diesem Falle machts aber Spaß! Denn man muss dazu ein kleines Quiz durchlaufen und erhält am Ende seinen persönlichen Style präsentiert.

Das Ganze hat zwei Vorteile:

  • Julep kennt den Style der Kundin und kann daraufhin die Produkte vorselektieren. (Folgende Styles gibt es: Moden Beauty, Boho Glam, Bombshell, Classic with a Twist, It Girl und American Beauty)
  • Und die Kundin erhält eine “Auszeichnung” als Maven und ihr persönliches Styleprofil. Das ist dann ähnlich befriedigend wie ein Brigitte-Test. 😉

Das Quiz ist visuell aufbereitet – man beantwortet einfach über Bildauswahl ein paar Fragen zum eigenen Geschmack bezüglich Frisur, Mode, Schuhe, Freizeit etc. und natürlich Nageldesign.

Und am Ende gelangt man zur Produktseite der Box mit dem passenden Style und kann sie bestellen.

Julep bietet mit der Box noch folgende Vorteile:

  • Mitverdienen, wenn man Freunde als Mavens gewinnt.
  • 20% Nachlass auf alle Produkte im Vergleich zum klassischen Shop plus kostenloser Versand.
  • Man kann vor dem Versand in die Box reinschnuppern und sie evtl. überspringen, verschenken oder auch den Style ändern.

Ich halte das für ein ganz tolles und wirksames Storytelling, das aus dem einfachen Abo einer Kosmetik-Box ein viel spannenderes Produkt macht. Es macht Spaß, den eigenen Style rauszufinden und man hat quasi das Gefühl, etwas geschenkt zu bekommen. Und da das Quiz nicht einfach nur ein zusätzliches Feature der Website ist, sondern in den Bestellprozess integriert ist führt es direkt in die Bestellung.

Lediglich die Verpackung der ganzen Geschichte auf der Website lässt etwas zu wünschen übrig. Gestalterisch ist die Website und die Maven-Aktion mehr als mau, aber wenigstens ist die Website nicht Pink. 😉

Fundstück: Individuelle Anleitung

Ich bin gerade zufällig auf eine kleine Anleitung gestoßen, die auf ganz einfache Art und Weise personalisiert wurde.

Es geht darum, dass viele Mail ungewollt im Spam-Ordner landen und dass viele betroffene Firmen daher versuchen ihren Kunden zu erklären, wie sie das verhindern können. Und zwar ganz einfach dadurch, dass diese die Absender-Adresse ihrem Adressbuch hinzufügen. Leider wissen viele Menschen nicht, wie man das macht, also braucht’s eine Anleitung.

Und genau diese Anleitung habe ich gerade bei dem Kleinanzeigen-Portal Quoka.de gesehen, nachdem ich dort eine Anzeige inseriert hatte. Das hier ist die Bestätigungsseite mit der Anleitung:

Doch was ist daran nun das Besondere? Der Screenshot von Gmail!

Denn: Nicht alle Quoka-Kunden nutzen Gmail … aber ich, und das weiß Quoka, denn ich habe ja weiter vorne im Prozess meine Mail-Adresse angegeben. Quoka zeigt einfach je nach angegebener Mail-Adresse einen entsprechenden Screenshot als Anleitung an. Natürlich nur bei Adressen wie Gmail, GMX, Hotmail etc.

Ein einfacher aber praktischer kleiner Trick.

 

Vergessen wir doch endlich die 7+/-2 Regel …

… zumindest bei dem Thema Navigation. Wie heißt es so schön? Eine Hauptnavigation solle aus ca. 7 Menüpunkte bestehen – plus minus zwei. Also irgendwas zwischen 5 und 9 Menüpunkten sei optimal, weil das menschliche Gehirn nur 7 Einheiten gleichzeitig verarbeiten kann.
Alles Quatsch! Vergesst’s!

Die Musik zum Blogbeitrag (optional) https://twitter.com/Brassrootsmusic

Es gibt im Webdesign diverse Legenden, die an unserer Arbeit kleben wie das Pech an der Marie. Der Klassiker: Laut Jakob Nielsen scrollen nur 10 % der Nutzer eine Seite nach unten. Diese Aussage ist von 1996 und wurde von ihm bereits ein Jahr später widerrufen.

Und eine andere bekannte Legende ist eben die 7+/-2 Regel. Diese Regel stammt aus einer Untersuchung von George Miller aus dem Jahr 1956 und ist bekannt geworden als die Millersche Zahl. Wikipedia:

Die Millersche Zahl (engl. The Magical Number Seven, Plus or Minus Two) bezeichnet die von George A. Miller festgestellte Tatsache, dass ein Mensch gleichzeitig nur 7±2 Informationseinheiten (Chunks) im Kurzzeitgedächtnis präsent halten kann.

Miller hat also untersucht, wie viele Einheiten ein Mensch im Kurzzeitgedächtnis speichern kann. Und genau das ist es, was nicht passt! Denn niemand muss die Menüpunkte einer Website-Navigation auswendig aufsagen können. Sie stehen immer oben oder links, oder man kann sie jederzeit aufklappen.

Um mit einer Navigation gut arbeiten zu können, muss der Nutzer die Menüpunkte gut lesen und verstehen können. Das ist Wahrnehmungspsychologie. Was Miller untersucht hat, gehört zur Lernpsychologie und ist was ganz anderes! (Noch dazu gibt es neuere Untersuchungen zu diesem Thema.)

Eine Navigation kann also ruhig auch aus mehr als 7 Menüpunkten bestehen – wichtig ist, dass die Struktur nachvollziehbar ist und der Nutzer alle Inhalte damit finden kann. Er muss eine Vorstellung davon bekommen, was sich hinter jedem Menüpunkt verbirgt. Also, wenn notwendig, lieber ein paar Punkte mehr in die Navigation reinpacken, als sich sinnlos auf 7 Punkte zu knechten. Dadurch führt man höchsten Dinge zusammen, die nichts miteinander zu tun haben, und baut im schlimmsten Fall noch mehr Ebenen in der Tiefe auf.

Es geht hier auch nicht nur um Hauptnavigationen – das gleiche Prinzip gilt auch für Sub-Menüs. Sehr gute Erfahrungen haben wir z.B. mit Megadropdowns gemacht, in denen manchmal 3, 4 oder 5 Kategorien mit ganz vielen Sub-Menüpunkten auftauchen. Die Kategorien sieht man dann auf den Unterseiten auch wieder in der linken Navigationsleiste. Durch diese Gruppierungen bleiben selbst etwas längere Navigationen noch bedienbar.
Die Nutzer in unseren Usabilitytests sind immer sehr begeistert und bezeichnen diese Art der Navigation als sehr übersichtlich. Beim RMV.de kann man sich ein Beispiel ansehen. (Umgesetzt nach den Regeln von Jakob Nielsen.)

PS: Ja, auf der Wikipedia-Seite der Millerschen Zahl steht auch, dass man sie auf die Navigationspunkte einer Website anwenden kann … das müsste man mal dort ändern.