Digital Natives mit Schwächen – Teenager im Web

Digital Natives … nach ihrer Entdeckung vor ein paar Jahren waren sie lange Zeit ein großes Thema im Netz. Es sind die nach 1980/85 Geborenen, die quasi das Digitale mit der Muttermilch aufgesogen haben. Im Allgemeinen glaubt man, dass sie geradezu virtuos mit dem Internet und all seinen Geräten umgehen. Siehe dazu auch Wikipedia.

Caution: Teenagers
Bild: http://www.cgpgrey.com/

Nun hat Jakob Nielsen, der große Usability-Guru, in einer Studie Teenager bei ihrer Internetnutzung beobachtet und kann nun damit viele Stereotypen widerlegen: Teenager wollen nicht nur unterhalten werden, sie sind nicht automatisch Technik-Experten und sie brauchen nicht überall Social Media Funktionen.

Schlechter als Erwachsene
Teenager schlossen in der Studie nur 71% der Aufgaben erfolgreich ab, Erwachsene 83%.

“Teenager schneiden aus drei Gründen schlechter ab als Erwachsene:

  • ihr unzureichendes Lesevermögen,
  • ihre weniger ausgereiften Recherchestrategien,
  • ihre deutlich niedrigere Geduldsschwelle.”

Bessere Texte!
Da Teenager also nur ungern und vor allem nicht gut lesen, empfiehlt Nielsen noch einmal mehr Wert auf den Text zu legen: kleine Häppchen; Worte verwenden, die die Zielgruppe versteht und auf dem Niveau der sechsten Klasse schreiben (was übrigens Nutzern jeden Alters hilft). Fun Fact: Teenager hassen kleine Schriften! 😉

Schnellere Websites mit weniger Ballast!
Teenager sind häufig nicht mit den neuesten Geräten ausgestattet – sie müssen mit den ausgedienten Rechnern der Eltern oder älterer Geschwister vorlieb nehmen oder haben sogar langsame Internetverbindungen. Also keinen aufwändigen Schnickschnack auf die Seite packen! (Passt auch wieder zur fehlenden Geduld.)

Teenager sind keine Kinder!
Teenager sind stolz, keine Kinder mehr zu sein. Wenn sie sich ernst genommen fühlen sollen, darf man sie nicht mit den gleichen Inhalten wie für Kinder unter 12 ansprechen. Also keine quietschi-bunten Animationen etc.

Nicht zu viel Social!
Teenager verhalten sich bereits anders als die derzeitigen Studenten, denn sie haben die Predigten der Lehrer und Eltern, dass sie ihre Privatsphäre schützen müssen, wohl schon verinnerlicht. Sie teilen Inhalte lieber per Mail als über Social Networks.

Auch Auswirkungen für den E-Commerce!
Diese Ergebnisse haben übrigens auch Auswirkungenen auf Shops, die Produkte für Teenager anbieten:

“Selbst wenn Teenager noch keine echten Einkäufe im Internet tätigen, besuchen sie doch die Websites, um sich zu informieren und um Wunschzettel zu erstellen, die sie den Kreditkarteninhabern in ihrem Leben vorlegen.”

Immerhin waren Teenager in Online-Shops erfolgreicher als auf anderen Websites, was wahrscheinlich am einheitlichen Design-Standard von Shops liegt. Wenn wir also sagen, dass der Standard-Shop für Frauen nicht das gelbe vom Ei ist, dann muss man bei Teenagern das Gegenteil feststellen. Diese Zielgruppe profitiert anscheinend vom einheitlichen Aufbau klassischer Online-Shops.

Fazit – Das heißt dann wohl:
Auch bei Websites für Teenager ist Usability ein wichtiger Faktor. Sie müssen einfach sein und sollten freaky-funky Features nur gezielt einsetzen. Und auch bei dieser Zielgruppe beeinflusst die Art der Website die Nutzererwartungen. Shops beispielsweise müssen professionell aussehen und Informations-Websites klar und deutlich.

“Teenager können auch ohne Schnickschnack etwas lernen und sich begeistern.”

Mein Lieblings-Satz in dieser Studie ist übrigens. “Viele Schüler und Studenten nutzen das Internet in merkwürdigen Haltungen und mit tragbaren Geräten mit kleinem Bildschirm”. Eine Mobile- und Tablet-Optimierung ist also auch für diese Zielgruppe sinnvoll!

Die komplette Alert-Box: “Teenager-Usability: Website-Design für Jugendliche” (englisches Original)

E-Commerce für Frauen – ein Vortrag beim Webmontag Frankfurt

Letztes Jahr habe ich an einem Online-Shop mit vorrangig weiblicher Zielgruppe gearbeitet. Dank Jochen, der sich seit Jahren zum Thema  “Wie Frauen kaufen” die Finger wund bloggt, war das Thema schon lange präsent in meinem Kopf. Nun konnte ich mich mit meinen Kollegen endlich mal selbst ausgiebig damit beschäftigen, und wir haben viele interessante Dinge zu Tage gebracht. Einige unserer Ergebnisse hatten meine Kollegin Astrid und ich schon in einem Gastkommentar in der W&V beschrieben (den wir allerdings unglaublich kürzen mussten, weshalb er meiner Meinung nach nicht mehr ganz so rund klingt).

Und jetzt waren wir dank des unerschrockenen Einsatzes von Alipasha vor zwei Wochen mit einem kleinen Vortrag beim Webmontag in Frankfurt. (Auch hier mussten wir einen einstündigen Vortrag auf 15 Minuten kürzen.)

Vielleicht kommt’s in dem Vortrag ein bisschen rüber: Dieses Thema macht unglaublich Spaß! Nicht nur, weil es enorm viele lustige Klischees birgt, die sich sogar manchmal als wissenschaftlicher Fakt entpuppen. Sondern auch, weil man regelmäßig Aha-Erlebnisse hat und nach und nach ein bisschen mehr versteht, warum die Welt so ist, wie sie ist. Im positiven und im negativen Sinne … und man erkennt, wie man so einiges vielleicht ein bisschen besser machen kann.

Viel Spaß damit:

E-Commerce für Frauen: Männer jagen, Frauen auch. Nur anders. from wmfra on Vimeo.

PS: Wenn wir im Vortrag von DEN Frauen sprechen, ist damit ein Frauen typisches Verhalten gemeint, das natürlich auch Männer haben können. Und das Gleiche gilt natürlich auch für DIE Männer.

Hier noch ein paar unserer wichtigsten Quellen:

Gender Marketing – Neue Ansätze im Konsumgütermarketing, Munich Business School, Studie 2012
Marketing to Women: How to Increase Your Share of the World’s Largest Market, Marti Barletta, 2011
Erfolgsfaktoren im E-Commerce – Deutschlands Top-Online-Shops, ECC Handel und Hermes, Studie 2012
Was Frauen wollen: Warum sie kaufen, was sie kaufen, Paco Underhill, 2010

Um das Thema “wie Frauen online shoppen” geht’s auch auf der Konferenz Exceed von Exciting Commerce am 12. und 13.3.13 in Berlin.

Update:
Astrid und ich haben diesen Vortrag überarbeitet und erweitert und bei der Meet Magento 2014 präsentiert. Hier findet ihr das Video und dazugehörigen Slides: Female Commerce.

Mit “Meine Spielzeugkiste” zu weniger Konsum

Wenn man sich viel mit E-Commerce beschäftigt, überkommt einen manchmal ein ungutes Gefühl …  in Bezug auf Verschwendung von Ressourcen und übertriebenden Konsum. Also, mich zumindest. Aber bevor ich zur Konsumverweigerin werde 😉 erfreue ich mich erst noch an tollen neuen Shopping-Konzepten, die genau diesem unguten Gefühl entgegen wirken, indem sie z.B. die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern als Grundlage nehmen. Collaborative Consumption nennt man diesen Ansatz. Mehr dazu kann man bei Lilligreen nachlesen (aus dem Blickwinkel Nachhaltigkeit) oder bei etailment (durch die E-Commerce-Brille).

Meine Spielzeugkiste ist so ein Konzept. Man kauft nicht das Spielzeug sondern mietet es auf Zeit. Irgendwann schickt man es wieder zurück und Meine Spielzeugkiste vermietet es an die nächste Familie. Das Ganze funktioniert auf Abo-Basis – man wählt die Größe der Kiste (je nach Anzahl der enthaltenen Spiele) und zahlt einen monatlichen Betrag (also auch Abo-Commerce). Ab 14 Euro ist man dabei. Man kann selbst auswählen, welche Spielzeuge in die Kisten reinkommen. Zur Auswahl steht pädagogisch wertvolles Spielzeug, jedoch keine Baukästen, Bastelsets oder hoch emotionales Spielzeug wie Teddys oder Puppen, da sich diese nicht zur Vermietung eignen. Die Kiste behält man so lange, bis man wieder neues Spielzeug haben möchte. Wenn den Kindern mal ein Spielzeug besonders gut gefällt, kann es auch vergünstigt gekauft und behalten werden.

Weniger ist mehr
Vor Weihnachten haben wir in der Agentur Spielzeug für benachteiligte Familien gesammelt. Wir waren wirklich überrascht, wie viel da zusammen kam. Daher halte ich es für einen interessanten Ansatz, dass man das Spielzeug nur eine Weile behält und es dann wieder zurück schickt. Auch die Kinder lernen dabei, dass man nicht alles selbst besitzen muss. Und gerade bei Einzelkindern, die die Sachen nicht an kleine Geschwister weiterreichen können, vermeidet man so doch einen ordentlichen Spielzeugberg.

Der besondere Service
Die meisten Collaborative Consumption-Dienste funktionieren als P2P-Plattform, sie sind also Marktplätze bei denen sich die Nutzer registrieren und ihre Sachen tauschen, anbieten oder kaufen. Das ist für den einzelnen Nutzer sehr aufwendig, weil er die Sachen fotografieren, einstellen, beobachten oder auch das passende finden muss. Und das nötige Vertrauen muss auch vorhanden sein. Meine Spielzeugkiste geht hier einen anderen Weg und bietet quasi einen Komplettservice an. Denn mehr als das Auswählen der Spiele oder das Versenden der Kiste muss der Nutzer nicht tun.

Die richtige Wahl
Da ich das Angebot selbst nicht getestet habe, verlinke ich mal auf einen sehr interessanten Bericht einer begeisterten Mutter. Hier wird berichtet, dass die kleine Tochter manches Spielzeug aus der Kiste sehr gerne mochte und anderes wiederum gar nicht. Dieses Abo-Modell führt also auch dazu, dass viel Spielzeug getestet und letztendlich nur das behalten wird, was auch tatsächlich gefällt. Die Spielzeugauswahl erfolgt aus fünf Themen: Kreativität, Logisches Denken, Motorik, Gemeinschaftssinn, Musik und Sprache und richtet sich nach dem Alter des Kindes. Es gibt auch ein Empfehlungstool, das aber letztendlich auch nur Zufallstreffer angezeigt.

Zum Geschäftsmodell
Meine Spielzeugkiste wäre kein modernes E-Commerce-Konzept, wenn es nicht noch Optionen gäbe, die man für zusätzliches Geld hinzubuchen kann. Für 5 Euro zusätzlich zum monatlichen Beitrag erhält man immer nagelneues Spielzeug. (Ich persönlich würde ja einen zusätzlichen Betrag für nachhaltiges und gesundheitlich völlig unbedenkliches Spielzeug zahlen.)
Und wie man hier nachlesen kann, setzt Meine Spielzeugkiste natürlich darauf, dass Kinder Spielzeug gerne behalten wollen, wenn sie es einmal gespielt haben. Wie oben bereits beschrieben, können Kunden daher Spielzeuge auch behalten und nachträglich für 30% unter Neupreis kaufen.
Zudem gibt es Spielzeuge, die Teil einer Produktreihe sind, bei denen Startersets um zusätzliche Teile oder neue Versionen erweitert werden können. Meine Spielzeugkiste vermietet nur Startersets und setzt auf Kooperationen mit den Herstellern.

Weniger Konsum?
Ob ein solches Konzept nun tatsächlich zu weniger Konsum führt, wie ich in der Überschrift zu behaupten wagte, weiß ich nicht. Ich vermute mal, dass trotz aller Kaufanreize die meisten Spielzeuge mehrfach vermietet und daher von mehreren Kindern bespielt werden. Sie dürften also ein erfüllteres Dasein haben als herkömmlich gekauftes Spielzeug, das irgendwann im Keller landet und in Vergessenheit gerät. Und die Spielzeuge, die dann doch behalten und gekauft werden, haben immerhin bereits eine Testphase bei den Kindern hinter sich und man weiß, ob sie ankommen und ob auch ausdauernd damit gespielt wird.

Schönes Storytelling im E-Commerce: Julep

Bei Julep kann man Nagellack bestellen. Oder als monatliche Box abonnieren. Das nennt man dann Abo-Commerce.

Nun bin ich zwar so gar nicht der Nagellack-Typ, aber eine Sache hat mir bei Julep doch sehr gut gefallen: Das mit den Mavens!

Mavens? Ich googelte Mavens und fand eine Wikipedia-Seite mit folgender Erläuterung:

Maven (…) bezeichnet einen, meist selbsternannten Experten eines einzelnen Wissensbereiches, der versucht, sein Wissen an andere weiterzugeben.

Nagellack-Experte! Man muss also bei Julep erstmal Nagellack-Experte werden, um die monatliche Box bestellen zu können. Das mag zwar aus verkäuferischen Aspekten wie eine Hürde klingen, in diesem Falle machts aber Spaß! Denn man muss dazu ein kleines Quiz durchlaufen und erhält am Ende seinen persönlichen Style präsentiert.

Das Ganze hat zwei Vorteile:

  • Julep kennt den Style der Kundin und kann daraufhin die Produkte vorselektieren. (Folgende Styles gibt es: Moden Beauty, Boho Glam, Bombshell, Classic with a Twist, It Girl und American Beauty)
  • Und die Kundin erhält eine “Auszeichnung” als Maven und ihr persönliches Styleprofil. Das ist dann ähnlich befriedigend wie ein Brigitte-Test. 😉

Das Quiz ist visuell aufbereitet – man beantwortet einfach über Bildauswahl ein paar Fragen zum eigenen Geschmack bezüglich Frisur, Mode, Schuhe, Freizeit etc. und natürlich Nageldesign.

Und am Ende gelangt man zur Produktseite der Box mit dem passenden Style und kann sie bestellen.

Julep bietet mit der Box noch folgende Vorteile:

  • Mitverdienen, wenn man Freunde als Mavens gewinnt.
  • 20% Nachlass auf alle Produkte im Vergleich zum klassischen Shop plus kostenloser Versand.
  • Man kann vor dem Versand in die Box reinschnuppern und sie evtl. überspringen, verschenken oder auch den Style ändern.

Ich halte das für ein ganz tolles und wirksames Storytelling, das aus dem einfachen Abo einer Kosmetik-Box ein viel spannenderes Produkt macht. Es macht Spaß, den eigenen Style rauszufinden und man hat quasi das Gefühl, etwas geschenkt zu bekommen. Und da das Quiz nicht einfach nur ein zusätzliches Feature der Website ist, sondern in den Bestellprozess integriert ist führt es direkt in die Bestellung.

Lediglich die Verpackung der ganzen Geschichte auf der Website lässt etwas zu wünschen übrig. Gestalterisch ist die Website und die Maven-Aktion mehr als mau, aber wenigstens ist die Website nicht Pink. 😉